DAVE LORY

DAVE LORY "From Hallelujah To The Last Goodbye"

Special Review vom 3. Mai 2020

Obwohl ich bisher glaubte, mich in der gesamten Buckley-Saga lückenlos auszukennen, kommt jetzt eine gewichtige Stimme dazu. Der Name des Autors war mir bis zur Lektüre kein Begriff. Doch DAVE LORY hat JEFF BUCKLEY von 1993-97 als Tourmanager begleitet, ihn dabei hervorragend beraten und mit seiner Band manche Turbulenzen überstanden. Sein Schreibstil ist angenehm, gewissenhaft und emotional leicht unterkühlt, was dem tragischen Epos etwas die Schwere nimmt. 20 Jahre Distanz brauchte es, um sich all den Erinnerungen auszusetzen.

Dave Lory (*April 1959) hatte zuvor die Allman Brothers gemanagt, mit Organist Gregg Allman (1947-2017) zahlreiche Band- und Drogenkrisen durchlaufen. Dadurch verblüfft uns in der Folge keineswegs der hohe Grad an Professionalität in der Arbeit mit Jeff. Zum ersten Termin erschien Jeff verspätet, was Lory gar nicht gefiel, trotzdem kam es zur Zusammenarbeit. Lory entwickelte eine Strategie: bei zunehmendem Bekanntheitsgrad und sich häufenden Interviews, wurde den Journalisten (plus Konzertveranstaltern) eingeschärft, den Namen des Vater Tim Buckley zu vermeiden. Nicht aus Antipathie, sondern aus gesundem Menschenverstand. Dave gab Jeff Tipps, wie er das Publikum dazu bringen könnte, aufmerksamer zuzuhören, z.B.. dadurch dass er zwischen den Tracks weniger Witzer erzählte - oder das Set nicht unbedingt mit einem Elvis Presley-Song begann.

Berührendes Detail : dass Jeff nach der Scheidung von Mary Guibert mit seinem musikalisch einflussreichen Stiefvater Ron Moorhead (sowie dem Tode seines Vaters) 1975 seinen Namen von Scotty Moorhead in Jeffrey Scott Buckley abänderte. Dave erinnert sich an direkte Aussagen, ist oftmals in einem inneren Dialog mit Jeff, und erschafft so unaufdringlich das Klima der knapp drei Erfolgsjahre, die Jeff schlussendlich blieben. Als Dave anfang 1994 in London die aufwühlende Affäre von Jeff mit Cocteau Twins-Sängerin Elizabeth Frazer ("Song To The Siren") mitbekommt, bleibt er auf professioneller Distanz. Höchst amüsant hingegen die Szene (S. 74), in dem er Jeff eindringlich vor Affären mit Frauen aus geschäftlichen Beziehungen warnt ("You break one of these girls' hearts and you're not just screwing her, you're srewing your career") - und wenig später (S.134) im August 1994 verliebte er sich prompt in die Promofrau von Sony Europe, Samantha Way. Inzwischen sind sie verheiratet und haben zwei Töchter: ohne Jeff wäre diese Beziehung nie zustande gekommen.

Zwei Freunde unterwegs mit dem "Running Gag"-Motto "Hast du den Fallschirm eingepackt?" …. Wir erfahren alles über die interne Bandgeschichte, und ihre Pläne. Jeff wollte mindestens 18 Alben herausgeben, eine mit dem Titel "Live In Pakistan". Konnte sich sehr schnell eine Neuentdeckung aneignen, verblüffend ähnlich übrigens, was Lee Underwood über Tim Buckley geschrieben hat. Jeff konnte James Brown (Live At The Apollo" 1963 war das Lieblingsalbum) imitieren oder gar darüber hinauswachsen. Als er Nusrat Fateh Ali Khan entdeckte, kaufte er sich zahlreiche indische Instrumente, auch ein Harmonium, um der Seele dieser Musik behutsam auf die Spur zu kommen. Auf Besuch bei Steve Berkowitz (Producer bei Sony) und seinen zwei Söhnen, die Trickfilme "Merry Melodies" anschauten: plötzlich imitiert Jeff simultan alle Dialoge und Geräusche, zur grossen Verblüffung der Jungs. Oder die Szene, als Jeff in Amsterdam heimlich eine Kugel Hasch schluckt und zum Notfallarzt muss, der sein nächstes Konzert absagen lässt.

Die Mutter von Jeff, Mary Guibert (*1946) übernahm nach dem Tode ihres Sohnes den ganzen Nachlass, hat bestimmt verdienstvolle Arbeit geleistet, entliess aber 1997 überraschend alle Personen aus dem Umfeld, die Jeff Buckley am nächsten standen. Lory musste um seinen Anteil am Geld prozessieren, erhielt aber nach Abzug seiner Anwaltskosten gerademal noch soviel Geld, um seine Wohnung neu anzustreichen. Aber mit diesem Buch lässt er all die Geschichten los, bereichert mit Original-Zitaten seines Freundeskreis : wie Fotografin Merri Cyr, Leah Reid (Columbia), Julie Borchard (Columbia), Andy Wallace (Producer), Matt Johnson (Drummer), Chris Dowd (Fishbone) u.a.

Fazit: neben "Touched By Grace" (2013) von Gitarrist GARY LUCAS mein Lieblingsbuch über Jeff Buckley. Wie Gitarrist LEE UNDERWOOD zuvor über TIM BUCKLEY mit dem Buch "Blue Melody" (2002), schaffen es alle drei Autoren auf beglückende Weise, ihre eigene Geschichte mit in die Biografien einfliessen zu lassen.

Veit F. Stauffer, April 2020
ps. das Buch habe ich gefunden bei Pile of Books, Zürich