Blues als Lebensgefühl
News vom 31. Mai 2019
Geschätzte Kundschaft
Die Melancholie transportiert mehrere Nuancen der Emotion: von bittersüss bis halbmondklar. Und trägt uns unerwartet über schwierige Lebensphasen hinweg.
Zweiter Teil aus der beliebten Serie. Blues nicht unbedingt als Musikstil, sondern als Lebensgefühl: weitere sechs Frauen- und Männerstimmen aus dem Fundus des Sortiments. Bestsellers und Geheimtipps.
Danke & Gruss, Veit
Arno
„Charlatan“ ist ein Album, das sich auf die Dauer als heimlicher
Geniestreich entpuppt. Der ex-TC Matic-Sänger aus Belgien wurde hier
absolut kompetent von HOLGER CZUKAY produziert, der sich auch mit seinen
musikalischen Künsten beteiligt. Gesangliche Einflüsse sind unschwer
bei TOM WAITS und JOHN LYDON zu orten – doch ARNO kreiert etwas ganz
Eigenständiges, in Richtung frankophiler Chanson-Tradition. Nicht
zufällig finden wir auch hier ein JACQUES BREL-Cover („Le Bon Dieu“) und
die Handorgel ist durch das ganze Album präsent. Stimmungsmässig
vergleichbar mit „Musk At Dusk“ von IRMIN SCHMIDT.
Arbouretum
ARBOURETUM -
Doom-Folk, am 31. März 2011 in Schaffhausen Live erlebt. Raus aus dem
Nebel: das vierte Album ist für mich das beste seit "Rites Of
Uncovering" (2007). Nebst den Singer/Songwriter-Qualitäten überzeugt die
Band mit den erweiterten Zutaten Krautrock und Psychedelic Blues. Macht
Lust, wieder mal den Klassiker "Mountains" (1970) von Steamhammer
aufzulegen.
Johnny Cash
“Solitary Man” haben wir 50x verkauft, “Man Comes Around” bereits 40x.
Danke Johnny, für den Cash! So kann ich die Alimente für meine 2 Kinder
besser bezahlen... ;-) Im Januar 02 las ich mit Lungenentzündung gebannt
seine Memoiren... ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages bei
„Bridge Over Troubled Water“, ein verhasstes SIMON & GARFUNKELStück
von 1970, einmal feuchte Augen bekommen sollte... hier im Duett mit
FIONA APPLE.
Cat Power
Das vierte Album von CAT POWER, das einzigartige Projekt von CHAN
MARSHALL (voc,g,p), diesmal aufgenommen in Australien mit zwei Leuten
von DIRTY THREE. Das Resultat wirkt noch zerbrechlicher und desolater
als zuvor, erinnert dabei verblüffend an die Spätsechziger der
amerikanischen Westküste, speziell an Karen Dalton und Nico (ca.
"Chelsea Girls", aber ohne Streicher). Sehr schön.
Fiona Daniel
Auf den Spuren von COCO ROSIE, ALELA DIANE, FEIST, JOLIE HOLLAND und
JOAN WASSER.... Das bezaubernde Debut der Zürcherin FIONA DANIEL +++1.
War (June 08) 2:58 Verzauberten Regentropfen gleich, beginnt der Reigen
des Albums, Fiona wird sparsam, aber äusserst effektvoll begleitet von
Cello und Gitarre, sehr schön und atmosphärisch. "Written In June 2008
On The Cello Of My Grandmother". 2. Moon (Full Moon 07) 3:02 Ein
Paradestück von Fiona mit Band, melodisch verschlungen, dann auch sehr
kraftvoll. Laut aufdrehen, erreicht die hymnische Qualität eines Jeff
Buckley, inkl. starker Leadgitarre. Köstlich auch die überraschende
Betonung von Fiona beim letzten Wort "Why"...Gastgesang von Serpentine...
Friends Of Dean Martinez
Die ewigen Schattenbrüder der CALEXICO spielen am Ostersamstag, 10.
April 04 endlich auch in Zürich, und zwar im EL LOKAL. Fans von
atmosphärischen Filmsoundtracks im Zeitlupentempo kommen hier voll auf
die Rechnung. Ursprünglich wollten sie sich bloss FRIENDS OF DEAN MARTIN
nennen, aber da erhoben gewisse Erben Einspruch. Sie gehören zu der
genialen Sorte Band, die regelmässig nur dasselbe Album noch einmal
einspielen. Eine endlos faszinierende, bezaubernde Instrumentalband.
Noch schöner als LAMBCHOP, zugleich mit allen Wassern gewaschene
Soundhasen. Sie wären zweifellos in der Lage, um Orgelstücke des OLIVIER
MESSIAEN eine musikalische Kathedrale herumzubauen.
Lhasa
Ein grosses Kompliment an das Zürcher Publikum! Am Mittwoch, 10.
November 2004 gastierte Gesangswunder LHASA erstmals in Zürich vor
ausverkauftem Kaufleutensaal – und so mäuschenstill wie an diesem Abend
habe ich diesen berüchtigten Kommerz-Schuppen nahe der Bahnhofstrasse
noch nie erlebt. Zugleich wurde die Künstlerin nach jedem Stück
abgefeiert, als hätte sie soeben einen neuen Weltrekord im Hochsprung
der Frauen aufgestellt. Mein Freund Andi Czech (Sänger von Radio Osaka /
Comebuckley) meinte zwar nach der Zugabe (das an Nico’s „Marble Index“
erinnernde „Soon This Space Will Be Too Small“) trocken: „Lhasa muss
aufpassen, dass sie im Alter nicht zu esoterisch wird“ – aber diese
Prognose kann hier gleich wieder vorbeugend entkräftet werden. Lhasa hat
ihre zwei Alben „La Llorona“ (97) und „Living Road“ (03) hier im Rec
Rec Shop & Mailorder rund 400x verkauft und geht damit knapp in
Führung vor Les Reines Prochaines, Manu Chao und Fred Frith. Chapeau,
Lhasa Du Seele!
Joanna Newson
Mit ihrem zweiten Album "Ys" hat die junge Sängerin/Harfenistin JOANNA
NEWSOM zweifellos das Album des Jahres in der Kategorie "Female Artist"
erschaffen, mit Hilfe des grossen Konzertmeisters &
Teilzeit-Strandbuben VAN DYKE PARKS, der mit seinen überschäumenden
String-Arrangements die Kulissen und Gewänder hin- und herschiebt, mit
einer abgrundtiefen Zärtlichkeit & Raffinesse! Bjoerk und Kate Bush
wurden als Vergleiche bereits herangezogen, schon möglich - bedeutender
scheint mir der Einfluss der halb vergessenen KAREN DALTON (1938-93).
Die fünf langen Tracks zwischen 7 und 16 Minuten erinnern auch an das
weit unterschätzte Solo-Album "Manhole" (1973) von Grace Slick, kurz
bevor sie mit Jefferson Starship im seichten Mainstream bruchlandete.
Klang Newsoms erstes Album "Milk-Eyed Mender" (März 2004) in meinen
Ohren noch allzu sehr nach Minnie Mouse und gezierter
Kleinmädchenstimme, schwingt sich die Sängerin hier auf zu einer
erstklassigen gesanglichen Leistung! Sogar das fotorealstische
Covergemälde von Benjamin A.Vierling, eine Mischung aus Mittelalter,
Hippietum & Gegenwart, trifft die anzutreffende musikalische
Ambiente haargenau. Harp & Vocals Recorded By STEVE ALBINI. Mixed By
JIM O'ROURKE. String Arrangements by VAN DYKE PARKS.
Madeleine Peyroux
Das Debut der jungen Sängerin MADELEINE PEYROUX wandelt traumtänzerisch
auf den Spuren von BILLIE HOLIDAY und BESSIE SMITH, produziert von YVES
BEAUVAIS & GREG COHEN. Namen wie MARC RIBOT, GREG COHEN oder VERNON
REID im Line-Up garantieren für eine spannende Produktion, die
kultiviert zerbrechlich und elegant verspielt wirkt. Nebst zahlreichen
Fremdstücken fügen sich auch die drei eigenen Stücke nahtlos in das Opus
ein.
Arthur Russell
Die Wieder-Entdeckung dieses charismatischen Musikers aus New York zieht
weitere Kreise. Seine Vielseitigkeit erinnert an ein schillerndes
Chamäleon und ist in der populären Musik einzig mit dem Phänomen TIM
BUCKLEY vergleichbar. Gerade weil jedes Album von ARTHUR RUSSELL
(1952-92) anders klingt, ist seine Musik so schwer fassbar. Geradezu
prädestiniert für einen Dokumentarfilm also, und Autor MATT WOLF
enttäuscht uns mit “Wild Combination” (leider vergriffen) in keiner
Weise. Mit "Love Is Overtaking Me" gibt es erstmals ein Album mit
Stücken aus dem Singer/Songwriter-Genre, und Arthur Russell ist auf dem
Cover mit einem Cowboyhut richtig ins Bild gerückt, als wäre es erst
wenige Tage alt. Die Aufnahmen gehen weit zurück, mit zahlreichen Songs
aus den 70ern, u.a. mit Bassist ERNIE BROOKS von den MODERN LOVERS
(Jonathan Richman). "Close My Eyes" (74) belebt im Film auch eine lange
Kamerafahrt durch die nordamerikanische Landschaft.
Wunderschönes Debutalbum der 22-jährigen Sängerin aus Portland/Oregon: Welcome ALEXANDRA SAVIOR ! In England aufgenommen mit Alex Turner (Arctic Monkeys) und James Ford (Simian). Als Vorbilder gibt sie an: Nina Simone, Nico und Billie Holiday. Erinnert aber auch stark an das Luke Haines-Projekt Black Box Recorder, mit Sängerin Sarah Nixey (drei Alben zwischen 1998-2003). Bei Konzerten blickt ALEXANDRA fast unbeteiligt auf den Boden oder in die obere Ecke, wirkt dabei gleichzeitig schwelgend und gefährlich. Trotz des Albumtitels strahlt ihre Stimme eine unglaubliche Coolness und Fröhlichkeit aus. Manche Songs könnten auch in einem James Bond-Film verwendet werden, M.T.M.E. erinnert zudem an Siouxsie um 2007. Die Musik, welche mich vier Monate durch die Trauer um meine Mutter Doris getragen hat....
Timber Timbre
Ein phänomenales Album, ein Hauptereignis der Saison, welches zu
unzähligen Assoziationen Anlass gibt und in der Melancholie angenehm
kühlend wirkt. Es gibt Legionen von Singer/Songwritern seit dem
Wiederaufkommen der Welle um 1995, aber TIMBER TIMBRE sticht eindeutig
als Meilenstein heraus. Bereits wurden Vergleiche gezogen zu LAMBCHOP,
16 HORSEPOWER, SCOTT WALKER, JULIAN COPE, TIM BUCKLEY, ANTONY, JOE
HENRY... Sieben Stücke, dazu gehört ein Intro und der Abspann. Die
mittleren fünf Stücke sind ein Ereignis...