"Sag, wann kommst du zurück?"
News vom 26. August 2020
Liebe Leute
Mitten im Ausverkauf. Dieser Newsletter enthält neun zufällig zusammengewürfelte Titel. Scheinbar. Nur weil sich zwischen diesen Alben keine gerade Linie ziehen lässt, heißt das noch lange nicht, dass sie nichts miteinander zu tun haben. Der beste Beweis dafür liefert Thomas Pynchon. Schön, dass wir ihn jetzt auch musikalisch geniessen können.
Mit bestem Gruss Veit
PS: Auch von Cocker, Dylan, Harvey, Hassell und Olson ist Vinyl erhältlich, just ask!
Gabriel Baur
Euphorisch habe ich das Kino verlassen, ein sehr schöner Zürcher Film. Anfänglich skeptisch, wie man der Figur Lady Shiva gerecht werden könnte, hat mich der vielschichtige Dokumentarfilm "Glow" sichtbar überzeugt. Dank geschickter Konzentration auf wenige Schlüsselfiguren: berührend und souverän die Freundin Ursula Rodel (ex-Thema Selection), wie sie unnachgiebig ihre Beobachtungen und Anekdoten preisgibt. Immer noch derselbe bunte Hund: Theaterfreund Federico Pfaffen, auf Spurensuche im Theaterraum der Roten Fabrik. Sympathisch der Auftritt von Musiker Boris Blank, aus der Perspektive des Ateliers nebenan erzählt. Unsentimental und daher wohltuend: Isabella Glückler, eine damalige Freundin aus dem Milieu...
Jarvis Cocker
Einige Leute wurden erst 2017 dank dem Album "Room 29" mit Chilly Gonzales auf den charismatischen Pulp-Sänger aufmerksam. Geheimnisvoll, charmant und mit verhaltenem Drive.
Bob Dylan
Einmal mehr: respektables Alterswerk und schöner NZZ-Review von Martin Schäfer. Doch BOB DYLAN ist ein Selbstläufer, verkauft sich auch hier ohne mein Zutun rund 40x. +++ Ich benütze zum letzten Mal die Gelegenheit, auf eine unbekannte Grösse hinzuweisen. Denn endlich gibt es seit dem Herbst 2019 eine hervorragende Biografie über FRED NEIL (1936-2001). Folgende Punkte: +++ 1) als der junge Bob Dylan 1961 zum ersten mal nach NYC pilgerte, haben ihm die Leute gesagt: geh dorthin, wo Fred Neil spielt. Und tatsächlich, beim ersten öffentlichen Foto von Bob steht er mit Mundharmonika auf der Bühne neben Karen Dalton und Fred Neil ! +++ 2) Lange vor den WHO als Bühnenshow hat Fred Neil auf der Bühne seine Gitarre zerschlagen +++ 3) als Fred Neil im Juli 1975 einen raren Gig spielen sollte, erfuhr er von seinen Bandmitgliedern im Flugzeug: Nein Fred, wir fliegen nicht an ein Festival in MONTREAL, wir fliegen nach MONTREUX ! (bisher unveröffentlichter Auftritt, erst der Autor PETER LEE NEFF hat den gefilmten Auftritt gesehen). Viel Glück beim Bestellen des Buches. Der Autor gab mir für Europa folgenden Tipp: Medium Music Books in Münster/DE.
PJ Harvey
Auch nach 28 Jahren wirken diese Demoaufnahmen zum Debutalbum "Dry" von PJ HARVEY so authentisch und erfrischend, als wären sie erst letzte Woche aufgenommen worden.
Jon Hassell
Der Trompeter JON HASSELL (*1937) studierte bei Stockhausen, und leistete Pionierarbeit im Ambient-Bereich mit La Monte Young und Terry Riley. Zusammenarbeit mit Hector Zazou und Brian Eno, Peter Gabriel und David Sylvian, Holger Czukay und Stina Nordenstam. Jedes seiner raren Spätwerke wirkt überzeugend, da angenehm kühlend und schillernd wie ein bunter Blumenstrauss.
Sophie Hunger
Aufgewachsen ist Sophie als Jugendliche wenige hundert Meter entfernt hier in Wipkingen, woher ich diese Zeilen schreibe. Das Debutalbum "Sketches On Sea" (Eigenlabel, 2006) erschien zuerst im Vertrieb von Rec Rec, nach CD-Taufe im Helsinki bei Tom Rist, bevor Gentlemen Records bei Irascible einen Reprint startete. Der Rest ist Geschichte. Inzwischen sitzt die Zürcherin fest im Sattel ausgekochter Musikalität, mit besten internationalen Kontakten und Majorlabel-Vertrag. Album No. 8 "Halluzinationen" lebt von fliegenden Stilwechseln und erfrischendem Drive.
Rea Claudia Kost
Unglaublich traurig: mit rund 40 Jahren stirbt die Zürcher Sängerin REA CLAUDIA KOST an Blutkrebs, bloss neun Monate nach der Diagnose. Mit ihrem Vater DANIEL FUETER (Piano) sowie einem ausgereiften Ensemble hat sie 2018 auf dem deutschen Label "Solo Musica" eine uferlose Doppel-CD eingespielt, mit 37 Liedern von HANNS EISLER (1898-1962) sowie 20 Songs der Chanson-Sängerin BARBARA (1930-97), sieben davon sehr effektvoll auf deutsch! Keinen Moment lang zweifeln wir an ihren Fähigkeiten, zwei gegensätzliche musikalische Klimas zueinanderzuführen. Ich werde das Werk "R.C.KOST singt HANNS EISLER und BARBARA" auf Händen tragen und buchstäblich bis zu den Fingerspitzen ausKOSTen. Vermutlich nie miteinander: eine Woche lang EISLER mit "Das Lied von der Moldau", "Ideal und Wirklichkeit" oder "Wiegenlieder für Arbeitermütter" - die Woche darauf BARBARA mit "Au Coeur De La Nuit", "Schönes Alter" und (nicht zu vergessen) "Sag, wann kommst du zurück?". Welch schönes Vermächtnis für die Schweizer Musikszene, mit historischem Blick auf unsere Nachbarsländer Deutschland und Frankreich. Chapeau!
Gary Olson
Neuste Entdeckung des Hamburger Labels Tapete. Verblüffendes Solodebut von GARY OLSON, Sänger der Indieband LADYBUG TRANSISTOR (mit sieben Alben zwischen 1995-2011), die 2007 auch das letzte Album von KEVIN AYERS musikalisch ausschmückte. Sehr entspanntes und melodiöses Songwriting, ganz in der Tradition von Robert Forster of Go-Betweens.
Van Dyke Parks
Das Sommeralbum 1984 wurde im Rec Rec-Minikatalog ausführlich abgefeiert. Wir baten den Rezensenten, seinen Beitrag aus dem VAN DYKE PARKS-Special für uns möglichst unverändert nochmals abzutippen. Der Arrangeur der Platte ist kürzlich im hohen Alter von 90 Jahren gestorben. LENNIE NIEHAUS, Chapeau!
Kurz vor den Ferien ist "Jump!" endlich eingetroffen. Nun sitze ich am Strand von Jugoslawien, auf der Insel Hvar und lausche durch die Walkwoman (oder Walkman, ich konnte das Geschlecht nicht bestimmen) der Musik, die ich mir in letzter Minute auf Tape aufgenommen hatte.
Was auffällt: eine unglaublich fröhliche und positive Musik. Beeindruckt von den unzähligen musikalischen Stilen, die hier auf charmante Weise verarbeitet werden. Kommerzielle und hervorragend produzierte Unterhaltungsmusik mit raffinierten Arrangements - ein amerikanisches Pendant zu SLAPP HAPPY....
Thomas Pynchon
Thomas Pynchon kann man lesen. Abtanzen mit Pynchon – das geht jetzt auch. Die ins Romangeschehen eingestreuten Songtexte – mal windschief und verquer, mal finster oder provozierend – sind ein Markenzeichen des amerikanischen Autors. Wer kann sie lesen, ohne sich den Soundtrack dazu zu wünschen? Eine neue CD schafft Abhilfe. (..) (Angela Schader 29.07.2020 NZZ)